Pädagogisches Institut
für Lernförderung
Seit 1983

Kleine Geschichte der LRS - einmal anders
von Goswin Pier

Vorab. Man könnte sich mit der einen oder anderen Beschreibung zu LRS1 abfinden und zufrieden geben. Doch trotz des immensen Forschungsaufwands, der sich auf LRS konzentriert, erscheinen die bisherigen Ergebnisse - vor allem für Betroffene selbst - noch immer wenig zufriedenstellend. Vieles wird kontrovers diskutiert, LRS entwickeln sich weiterhin, sie bleiben eine Herausforderung. Möchte man als betroffene Eltern oder sonst Beteiligte mehr als nur abgegriffene Definitionen oder interessengeleitete Erklärungen erfahren, kann die Betrachtung historischer, teils internationaler Fakten und Entwicklungen entlang der Zeitachse ein Ansatz sein. Mir ist bewusst, diese "kleine Geschichte der LRS", zum Teil mit eigenen Übersetzungen aus dem Englischen, kann nicht im Entferntesten vollständig sein. Sie versucht stattdessen - knapp und übersichtlich zugleich - einen ausbaubaren Überblick zu geben, gleichsam wie im Klappentext zur unendlichen Geschichte der LRS. Sie möchte mit ausgewählten Inhalten zudem den Bezug zur Gegenwart herstellen und zum Weiterlesen anregen. Sie ist nicht an einen bestimmten Standort gebunden und verzichtet daher auf einseitig pädagogische, medizinische, psychologische oder sonstige Sichtweisen, um so eher in der Zusammenschau dazu beizutragen, LRS heute besser zu verstehen.
(Anmerkungen in Klammern sind bedeutungslos)


"Es ist nichts im Bewusstsein,
was vorher nicht in den Sinnen war." Aristoteles, 384-324 (Bild) - Empirismus?


LRS - Lese- Rechtschreibschwierigkeiten sind offenbar nichts Neues und keine Zeiterscheinung. Vielleicht hat auch die angeblich schöne und gebildete Kleopatra (Bild links) schon um 33 v. Chr. Probleme2 mit dem Schreiben gehabt, ebenso wie Leonardo da Vinci,3 der große italienische Künstler und Erfinder, Galileo Galilei,4 italienischer Wissenschaftler, Hans Christian Andersen,5 dänischer Dichter oder König Karl XI von Schweden um 1660 herum, als er das Lesen lernen sollte.6 Bei dieser kleinen Zeitreise halten wir nur an ausgewählten Stationen, von denen aus man LRS betrachten kann. (Wenn Sie jetzt vielleicht der Meinung sind, das wird Ihnen hier alles viel zu langweilig, machen Sie sich doch eben eine schöne Tasse Tee und hören einfach eine CD von Elton John, Robbie Williams oder Ihre Lieblings CD dazu...)

Lesen, Sprechen, Verstehen und Gehirn - frühe Entdeckungen. Im Jahr 1861 berichtet der vielseitige französische Anthropologe und Neurochirurg Pierre Paul Broca (Bild) von einer interessanten Entdeckung. Ist das Gehirn eines Mannes - etwa durch einen Unfall - an einer bestimmten Stelle verändert, kann er nicht mehr flüssig reden, obwohl er genau weiß, was er sagen möchte. Das Sprachverständnis bleibt erhalten, nicht aber die mündliche Kommunikationsfähigkeit. Diese Stelle des Gehirns liegt im "Stirnlappen"7 auf der linken Seite und wird nach ihm als Broca-Areal benannt. Die sprachlichen Folgen dieser Verletzung werden als Broca-Aphasie8 bezeichnet. Das Broca-Areal wird seitdem als "motorisches Sprachzentrum" mit dem "Sprachfluss" in Verbindung gebracht. - Auf Broca geht ebenfalls das Konzept "linkshemisphärischer Dominanz" für Sprache zurück, das lange Zeit eine Rolle spielen sollte im Zusammenhang mit der Ursachensuche für LRS. Heute ist das allerdings widerlegt, denn nach derzeitigem Stand der Hirnforschung kennen wir sehr viele - z.T. geschlechtspezifisch - unterschiedliche Stellen im Gehirn, die an sprachlichen Prozessen beteiligt sind, u.a. auch in der rechten Gehirnhälfte. Selbst musikalische Prozesse9 werden, wie man heute weiß, im Broca-Areal mitverarbeitet.10 - (Von Broca stammt auch die Gewichtsregel, dass ein Mann soviel an kg wiegen sollte, wie er einen Meter an Körpergröße in cm übertrifft.)

Etwas später, 1864, entdeckt der deutsche Psychologe und Neurologe Carl Wernicke (Bild), der gern Motorrad fährt, im Alter von 26 Jahren eine Stelle im Gehirn, die bei Läsionen 11, Veränderungen, andere Folgen hat. Der Betroffene kann dann zwar flüssig und rhythmisch sprechen, die Wörter jedoch nicht artikulieren; Sprache und Satzbau sind unverständlich und ohne Sinn. Obwohl das Hören selbst in Ordnung ist, kann der Verletzte gesprochene Sprache nicht verstehen. Er kann auch nicht schreiben oder still lesen. Die Fähigkeit, sich an einzelne Wörter zu erinnern, bleibt dagegen erhalten. Diese Stelle des Gehirns liegt im linken Schläfenlappen12 und wird nach ihm als Wernicke-Areal bezeichnet. Sie hat - als "sensorisches Sprachzentrum" mit dem Verstehen sprachlicher Äußerungen, mit der Sprachbedeutung zu tun. Ebenfalls im Schläfenlappen ist das "Planum temporale" angesiedelt, ein im Zusammenhang mit LRS vielfach untersuchtes, etwa dreieckiges Gebiet an der oberen Oberfläche des Schläfenlappens in der Nähe der "Sylvischen Furche". Dies ist eine Gehirnregion, die mit der Analyse umfassender auditiver Wahrnehmungen wie Sprache beschäftigt ist.

Der in der Schweiz geborene französische Neurologe Joseph Jules Dejerine (Bild), der als junger Mann gern boxt, schwimmt und am Genfer See zum Fischen geht, entdeckt etwa um 1891/1892 weitere Gehirnareale, die bei Läsionen zu Leseschwierigkeiten unterschiedlicher Art führen. Er hält es für möglich, dass bei "Wortblindheit", wie er diese Leseschwierigkeiten bezeichnet, die Verbindung13 bestimmter Gehirnbereiche gestört ist.14 - So vermutet man anfänglich, dass für die Bewältigung bestimmter Aufgaben stets nur ganz spezielle Hirnbereiche zuständig seien. Nach Gegenmeinungen hierzu15 folgt später das interaktionistische Funktionsmodell von Luria (manchmal Lurija) auf neuropsychologischer Ebene. Die Neuropsychologie ist derjenige Bereich der Biologischen Psychologie, der sich vorwiegend mit der Erforschung der neuronalen Grundlagen des Verhaltens und der Informationsverarbeitung im Gehirn beschäftigt. Im Laufe der Zeit findet man dort immer mehr sprachlich bedeutsame Bereiche. Die frühere Vorstellung, es existiere etwa ein Lesezentrum in derselben Form wie das Broca- oder Wernicke-Areal, ist heute nicht mehr haltbar. Wissenschaftler wie Shaywitz / Shaywitz sprechen bereits seit längerem von zahlreichen, mindestens 17 unterschiedlichen Gehirnregionen, die allein beim Lesen wechselseitig beteiligt sind.16

Die Anfänge. Erste Anzeichen des Phänomens LRS gibt es in Deutschland bereits vor Abschluss der allgemeinen Alphabetisierung um 1900, als der Anteil der Ehe schließenden Männer, die ihren Namen noch mit drei Kreuzen unterschreiben müssen, auf unter ein Prozent zurückgeht. Als einer der Ersten berichtet Dr. Rudolf Berlin, ein Arzt und Augenchirurg, in den 1870er Jahren17 neben der erworbenen Leseunfähigkeit von einer Leseunfähigkeit bei Erwachsenen, die nicht erworben oder angeboren sei, sondern sich entwickele. Er beobachtet sechs Patienten, die drei bis fünf Wörter lesen können und dann nicht weiter kommen, obwohl ihre Sprache in Ordnung ist.18 Er spricht von einer besonderen Art der "Wortblindheit", von "Dyslexie". - Der praktische Arzt und Schularzt Dr. Oswald Berkhan aus der Nähe von Braunschweig schildert 1885 ein Kind, das beim Schreiben Buchstaben verwechselt wie "Stammelnde beim Sprechen", geht aber in eine andere Richtung. - Um 1877 beschreibt der Internist Dr. Adolf Kußmaul (Bild) einen erwachsenen Mann, der normal intelligent und dennoch unfähig ist, lesen zu lernen, obwohl er eine "adäquate" Ausbildung vorweisen kann. Als Arzt spricht Kußmaul in Anlehnung an den medizinischen Begriff Alexie19 von Wortblindheit, einer Leseunfähigkeit, die ein ganzes Leben lang andauert. -

"Schulzucht!"

Liegt es vielleicht an der Prügelstrafe, dass sich Betroffene nicht an den Schulmeister (Bild) wenden?

In Großbritannien beschreibt 1896 der englische Schularzt Dr. William Pringle-Morgan aus Seaford (Bild) den 14-jährigen Percy. Percy ist der älteste Sohn einer intelligenten Familie, der praktisch die gleichen Symptome aufweist wie Patienten mit Verletzungen des linken "Gyrus angularis". Da er aber weder Kopfverletzungen noch Krankheiten feststellen kann, bezeichnet er Percys Zustand als augenscheinlich angeboren, "evidently congenital". Und der Lehrer beschreibt Percy so:

"Er wäre der cleverste (smartest) Junge in der Schule,
wenn der Unterricht vollständig mündlich erfolgen würde."

Ebenfalls in Großbritannien veröffentlicht Dr. James Hinshelwood, Augenarzt aus Glasgow, etwa ab Dezember 1895 mehrere Artikel zum Thema "Wortblindheit", bei der die Betroffenen ihre zuvor vorhandene Lesefähigkeit durch verschiedene Umstände wie Unfälle verlieren. Um das Jahr 1900 herum werden ihm innerhalb eines Monats zwei zehn und elf Jahre alte Jungen - wegen möglicher zerebraler Probleme - vorgestellt. Er stellt fest, die Jungen sind intelligent, nicht verletzt und haben dennoch gravierende Schwierigkeiten in der Schule. Ihre Anzeichen und Probleme beim Lesen sind ähnlich wie bei Erwachsenen, die zuvor Verletzungen erlitten hatten. Als Ursache vermutet er später Probleme im Bereich des visuellen Gedächtnisses. Er bemerkt, dass solche Leseprobleme in einigen Familien gehäuft vorkommen, und beschreibt unterschiedliche Grade der "angeborenen Wortblindheit"20. Hinshelwood, der eine mehr strukturelle21 Sichtweise betont und zwei weitere Fälle beschrieben hat, ist überzeugt, dass die Probleme mit einer alphabetischen Methode unter Einbeziehung möglichst vieler Gehirnzentren bei ausdauernder Übung gemildert werden können. - Auch James Kerr macht 1897 (Lancet) auf mental intelligente Kinder wie Percy aufmerksam.

Erfinder der Legasthenie? Bei Tests mit ungarisch sprechenden Kindern bemerkt der Budapester Kinderarzt und Neurologe Paul Ranschburg 1916 (Bild), auch bekannt durch die nach ihm benannte Hemmung, dass es Kinder mit normalen Sinnesorganen gibt, die mit sechs bis acht Jahren das verbale Lesen in der Schule nicht entsprechend lernen können. Er führt diese Unfähigkeit auf eine "nachhaltige Rückständigkeit höheren Grades in der geistigen Entwicklung" zurück. Er separiert "infantile Leseblindheit" von der "Lese-Rechtschreibschwäche", die er gelegentlich auch als "Legasthenie" bezeichnet.22 Ranschburg erahnte, dass "Legasthenie" und Intelligenz nicht aneinander gebunden sind.23 Der von ihm ausgedachte Begriff "Legasthenie" ist eine etymologisch verschieden deutbare Wortschöpfung, möglicherweise aus den griechischen Wörtern "logos" = das Wort, die Rede, die Sprache oder "legein" = sprechen, erzählen und "astheneia" = die Krankheit. Den Wortteil "Leg..." könnte Ranschburg ebenso von dem lateinischen Verb "legere - lego" = lesen, sammeln - ich lese, sammle" abgeleitet haben. Heute können wir ihn nicht mehr fragen, was er sich eigentlich dabei gedacht hat.24

Auch Psychologen und Lehrer schalten sich ein. Als amerikanischer Pionier beschäftigt sich der Neurologie- und Psychiatrieprofessor Samuel T. Orton (Bild) mit dem in den USA und England als "dyslexia" bezeichneten Problem, nachdem er einen 16-jährigen Jungen traf, der ihm "klug25 erschien, aber nicht lesen lernen konnte". Auf Grundlage medizinischer Vorstellungen und Erkenntnisse jener Zeit entwickelt er 1925 eine erste Theorie spezifischer Lernschwierigkeiten. Orton geht davon aus, dass der größte Teil des menschlichen Gehirns aus der linken und rechten Hemisphäre26 besteht; beide Bereiche sind durch ein Bündel von Zellen27 miteinander verbunden. Jede Gehirnhälfte kontrolliert den jeweils gegenüberliegenden Teil des Körpers, d.h. die linke Gehirnhälfte kontrolliert die rechte Körperhälfte und umgekehrt. Üblicherweise kontrolliert die linke Hemisphäre auch viele Sprachaufgaben, während die rechte Aufgaben wie räumliche, visuelle und musische Fähigkeiten steuert. Die Sprachhemisphäre wird als dominante Gehirnhälfte bezeichnet. Die meisten Menschen haben eine Präferenz für eine Seite, d.h., sie bevorzugen die rechte Hand zum Schreiben, das rechte Bein zum Fußball spielen oder das rechte Auge, wenn sie durch ein Fernrohr schauen. Dieses wird als Lateralität bezeichnet. Meistens hängen Lateralität und Dominanz zusammen. Die linke Hirnhälfte kontrolliert Sprache als auch die bevorzugte rechte Hand, bei Linkshändern ist es in etwa umgekehrt. Nach der damaligen Vorstellung dominiert eine Seite des Gehirns über die andere und ist auf einige Aufgaben spezialisiert, damit Kinder lernfähig werden. - Nach Ortons Theorie nun entstehen Lernverzögerungen oder Lernschwierigkeiten dann, wenn diese Spezialisierung während der kindlichen Entwicklung nun gerade nicht eintritt28. Diesen Zustand der Dominanzschwäche29 bezeichnet er in seiner mehr funktionsbezogenen30 Sichtweise als "Strephosymbolia". Dies heißt so viel wie verdrehte Zeichen und deutet auf Probleme in der visuellen Verarbeitung hin. Später schränkt er einige der Aussagen wieder ein.31 Die Vorstellung, eine geringe Lateralisierung sei Ursache von LRS, gilt heute zudem als überholt.32

Ihm bleibt unter anderem der Verdienst, die Unterschiede zwischen angeborenen, erworbenen und entwicklungsbedingten Erscheinungsformen von LRS weiter verdeutlicht zu haben. Durch seine Beobachtungen von anfänglich fünfzehn, später Tausenden von Kindern und Erwachsenen ist er überzeugt, LRS ist entwicklungsbedingt und nicht angeboren. Er hält physiologische Probleme der visuellen Wahrnehmung und des visuellen Gedächtnisses als Ursache für die Schwierigkeiten im Lesen für wahrscheinlicher als Defekte einzelner Hirnbereiche. - Eine seiner weniger bekannten Vermutungen z.B. ist, dass gute Leser den bildlichen Eindruck aus der rechten Hemisphäre beim Lesen unterdrücken. Neuere Untersuchungen33 der Gehirnaktivität während des Lesens kommen 2003 in diesem Punkt zu ähnlichen Ergebnissen.

Der Orton-Gillingham Ansatz. Ein spezielles kompensatorisches Training kann den Schwierigkeiten entgegenwirken. Orton ist bereit, auch pädagogisch neue Wege zu gehen. In den beiden folgenden Jahrzehnten etwa ab 1925 erarbeitet er gemeinsam mit der Lehrerin Bessie W. Stillman und der Psychologin Anna Gillingham ein multisensorisches Leseprogramm für die englische Sprache.34 Im beachtenswerten Unterschied zum Deutschen gibt es in der englischen Sprache für 40 Laute über 1200 - tausendzweihundert - unterschiedliche Schreibweisen, ca. 86 Prozent aller Wörter werden anders geschrieben als gesprochen. Bestandteile dieses Trainings sind planmäßige Übungen zur phonemisch-graphemischen Verknüpfung, Sequenzierübungen und sensorische Übungen zur Stärkung der als geschwächt angesehenen Gedächtnisfunktionen. Der Orton-Gillingham-Stillman Ansatz ist Ursprung für unzählige Weiterentwicklungen beispielweise in Amerika, Australien und Europa, u.a. Lindamood-Bell, AFS, Alpha to Omega, Slingerland.

Wie lernt man lesen? Über die richtige Leselernmethode haben sich Pädagogen schon seit langer Zeit Gedanken gemacht, unter vielen35 anderen Valentin Ickelsamer 1527, Heinrich Stephani 1802 und Maria Montessori 1907.36 Beispielsweise erkennt Heinrich Stephani, der wie Ickelsamer die Lautiermethode verbreitet, den Hauptfehler der Buchstabiermethode und spottet 1819:

"Wenn man "hoch" lesen will, spricht man ha-o-ce-ha,
Man tönet zweimal ha und ist darin kein a,
Klingt es nicht wunderlich, wenn man will "spielen" sagen,
Und kommt mit es-pe-i-e-el-e-en hervor.
Ein solch gezognes Spiel möcht' mich vom Lernen jagen,
So kommt ja allzu schwer der rechte Zweck hervor."

Bereits 1936/1946 und damit lange Zeit vor den "neuen" Forschungsergebnissen erkennt der Leseforscher Emmett Albert Betts das Lesenlernen in seiner Entwicklung primär als einen langfristigen Denkprozess, der sich kontinuierlich zu effizienten und veränderlichen (variable) Gewohnheiten hin ausbildet und nicht auf die Grundschulzeit begrenzt sein kann. Er schlägt Ansätze zur Entwicklung des Leseverständnisses vor. Auch A. J. Harris weist 1970 auf die Komplexität dieses langfristigen Prozesses hin.37 Spätere Entwicklungs- oder Prozessmodelle zum Schriftspracherwerb sind ähnlich orientiert.38 Heute ist erwiesen, dass der Leselernprozess zahlreiche funktionelle Umstrukturierungsprozesse im Gehirn nach sich zieht, die bereits nach kurzer Zeit - auch orthografischen Trainings - sichtbar sind.39

Lernen findet im Gehirn statt. Im Jahr 1949 postuliert der kanadische Neuro-Psychologe Donald Olding Hebb (Bild) eine erste bedeutende Hypothese für das Lernen in einem Verband von Nervenzellen oder Neuronen. Im menschlichen Gehirn gibt es "über den Daumen" gut 100 Milliarden Neuronen. Ein einzelnes Neuron hat bis zu 10.000 "Dendriten", auch Eingänge oder "Dendritenbäumchen", die sich "synaptisch" mit einem "Axon" oder Ausgang40 anderer Zellen verbinden können. Nach der bis heute noch gültigen und nach ihm benannten Lernregel41 stärkt sich die Verbindung zwischen zwei Neuronen, wenn sie gemeinsam aktiviert werden, denn "what fires together, that wires together". Eine Informationsübertragung von erregbarer Zelle zu erregbarer Zelle findet unter Beteiligung von Botenstoffen42 wie z.B. Dopamin an dreigliedrigen Kontaktstellen statt, für die Sherrington bereits 1897 die Bezeichnung "Synapsen" eingeführt hat. Donald O. Hebb schafft mit dieser Entdeckung synaptischer "Plastizität" neurophysiologische Ansätze für Lernen und Gedächtnis. Ist das Lernen im Kindesalter - bis etwa 12 Jahre - vorwiegend durch eine wachsende synaptische Vernetzung gekennzeichnet, so basiert es später mehr auf der Intensivierung der Verknüpfungen zwischen den Neuronen. - Kurz und bündig, ein Lerninhalt wird dann besser gespeichert, wenn mehrere Sinne häufiger beteiligt sind. - Diese grundlegende Entdeckung ist Ausgangspunkt für viele weitere Überlegungen und Vertiefungen ähnlicher Art bis in die jüngste Zeit hinein,43 u.a. von Manfred Spitzer (Bild).

Sind LRS erblich? Wie Hinshelwood 1917, der eine Familie mit elf Kindern beobachtet, von denen sieben normal lesen lernen können und vier ihre Probleme damit haben, finden auch viele andere Forscher44 immer wieder Familien, in denen Leseprobleme zum Teil über mehrere Generationen gehäuft vorkommen. 1950 untersucht Bertil Hallgren, ein schwedischer Humangenetiker aus Stockholm, 276 Betroffene aus über hundert Familien und stellt fest, dass Verwandte ersten Grades, Geschwister oder Eltern, mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 41 Prozent ebensolche Probleme haben (Ob er seine Forschungsgelder wohl vom schwedischen Königshaus bekommen hat?). Bis in die jüngste Zeit hinein folgen viele weitere Untersuchungen hierzu mit prinzipiell ähnlichen, manchmal auch stark differierenden Ergebnissen.45 Hallgren, der sich zudem intensiv mit Zwillingsuntersuchungen beschäftigt, spricht im Zusammenhang mit "Dyslexia" erstmals von dominanter Vererbung46 und ist Vorreiter weiterer Studien,47 u.a. von Bruce Pennington (Bild). - Im Zusammenhang mit LRS gibt es eine wachsende Anzahl molekularbiologischer Studien. Heute werden verschiedene für LRS relevant erscheinende Chromosomenregionen vermutet, z.B. auf Chromosom 6 für Hören, Chromosom 15 für Sehen, den Chromosomen 2, 1, 3, 18, 13 u.a. Allerdings können sich auch hier die Studien wiederum nicht immer gegenseitig bestätigen.48 Wissenschaftliche Beweise für eine genetisch verankerte Erblichkeit von LRS sind nicht bekannt. Selbst eine hohe "polygene Signifikanz" ist mit wissenschaftlich bewiesenen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen nicht gleichzusetzen. Deshalb spricht man heute von genetischer Disposition.

Wer ist überhaupt ein "Legastheniker"? Ein Jahr später, 1951, greift die Schweizer Psychologin und Biologin Maria Linder den Begriff "Legasthenie" für Lese- Rechtschreibschwierigkeiten auf und beschreibt damit eine aus dem Rahmen der übrigen Leistungen fallende Schwäche im Erlernen des Lesens und Schreibens bei "sonst intakter" Intelligenz: Lese- Rechtschreibschwierigkeiten trotz relativ hoher Intelligenz. Diese als Diskrepanzdefinition bezeichnete Beschreibung der LRS hat zur Folge, dass ein Teil der betroffenen Schüler nicht mehr in die Hilfsschule muss und stattdessen besondere Privilegien wie Notenbefreiung und Zusatzunterricht erhält. Ein anderer Teil bleibt von Fördermaßnahmen - welcher Art auch immer - ausgeschlossen. Ob betroffene Schüler Hilfen erhalten, hängt damit in der Praxis ausschließlich von einem über verschiedene Tests diagnostisch festzustellenden Unterschied zwischen Intelligenz und Lese-Rechtschreibleistungen ab. Ein "Legastheniker" muss erst als intelligent erkannt werden. Besonders aus pädagogischer Sicht wird diese Diskrepanzdefinition von zahlreichen Wissenschaftlern schon sehr bald als wenig brauchbar und bis heute sehr unzweckmäßig für die pädagogische Arbeit erkannt, vor allem wegen der problematischen Abgrenzungsfrage, wer denn nun "Legastheniker" sei und wer nicht.49 Sie kann sich aber bis in die jüngste Zeit gut halten, enthält sie doch die - allerdings nur vermeintlich - beruhigenden und sehr willkommenen Entlastungsmerkmale für alle Beteiligten: Der "Legastheniker" kann ja nichts dafür, dumm ist er auch nicht, niemand ist "schuld".

Die Forschungen kommen voran. In England schlägt die Psychologieprofessorin Magdalena Vernon aus Reading (auch Mick Jagger stammt aus Reading) 1957 einen multifaktoriellen Ursprung von LRS50 vor und erkennt Untergruppen mit Problemen in Bereichen des abstrakten Denkens, des Visuellen und des Auditiven. Der Neurologe Macdonald Critchley führt dort 1964 die Bezeichnung "spezifische entwicklungsbedingte Dyslexie" ein51 als Ersatz für den bis dahin in England noch immer gebräuchlichen Begriff "wordblindness". Er beschreibt phonologische Probleme. In Frankreich bietet Alfred Tomatis eine heute im Zusammenhang mit LRS kritisch gesehene, eng auf Hörprobleme begrenzte Theorie an. 1965 fasst Norman Geschwind (Bild), Neurologe an der Harvard Universität, die bisherigen Erkenntnisse Brocas, Wernickes und Dejerines zu einem neurobiologischen Sprachmodell zusammen, das zwanzig Jahre lang Gültigkeit behalten sollte. Er sieht erste Zusammenhänge zwischen Lesen und Farbbenennung und ergänzt die Theorie Dejerines um die Vermutung, dass Entwicklungsprobleme in bestimmten Gehirngebieten52 besonders etwa während der 16. bis 24. Woche der Schwangerschaft - durch eine stark erhöhte Konzentration des Hormons Testosteron, vor allem im Blut männlicher Embryos, mit Auswirkungen auf Gehirnreifung, Zellenwanderung und das Immunsystem - als Ursache für Leseprobleme in Frage kommen könnten. 1968 entdeckt er bestimmte "Asymmetrien" im Gehirn. Er findet heraus, dass das linke "Planum temporale" (Bild links, blaues Dreieck) üblicherweise - bei Rechtshändern - um ein Drittel größer ist als das rechte. Wie später von seinem Institutskollegen Galaburda beobachtet wird, kommen diese Asymmetrien bei Personen, die von LRS betroffenen sind, nicht vor, was eine Zeit lang als "mögliche Ursache" für LRS großes öffentliches Aufsehen erregt hat.

Neue Erklärungsmodelle. Etwa 1971 entdeckt die amerikanische Psychologieprofessorin Isabelle Liberman, dass die Probleme Leseschwacher in einem falschen Gebrauch der phonologischen Struktur und Gliederung der Sprache liegen können - Abstraktheit der Phoneme; Mängel in der phonologischen Verarbeitung beruhen demnach auf Merkmalen im Sprachsystem des Gehirns, nicht auf allgemeiner sensorischer oder kognitiver Beeinträchtigung. - Nach Veröffentlichung dieser Entdeckungen folgen rund um den Globus zahllose weitere Untersuchungen zu dem als "phonologische Bewusstheit" bezeichneten Forschungsgegenstand, auch in Deutschland und Österreich. Ebenfalls in England bemerken die Psychologen Peter Bryant und Lynette Bradley aus Oxford, dass das Phonembewusstsein vier- bis fünfjähriger Kinder drei, vier Jahre später deren Lese- und Buchstabierfertigkeit bestimmt.53 - 1972 stellt Martha B. Denckla, eine Schülerin Norman Geschwinds, Schwierigkeiten Betroffener fest, z.B. Farben, Zahlen, Buchstaben, Objekte schnell zu benennen -"rapid naming".54 Die Schwierigkeiten seien Vorboten für spätere Leseprobleme, wie Maryanne Wolf55 (Bild) herausfindet.56 Denn auch Unterschiede in der Benennungsgeschwindigkeit - "naming speed", sind schon im Kindergartenalter feststellbar. Prof. Heinz Wimmer vom Institut für Psychologie der Universität Salzburg weist dies 1993 auch für den deutschen Sprachraum nach.57 Inwieweit die aus diesen - derzeit stark beachteten - Erkenntnissen abgeleiteten Kindergarten- bzw. Grundschulscreenings und Lauschetrainings über veränderte Wahrscheinlichkeiten hinaus positive Auswirkungen auf die Vermeidung von LRS in der Schule genau haben werden, können erst die praktischen Erfahrungen in der Zukunft zeigen. - Schon seit längerer Zeit gibt es allerdings ohnehin wissenschaftliche Anzeichen dafür, dass sowohl die "zeitliche Verarbeitung"58 ebenso wie die "phonologische Bewusstheit"59 auf lange Sicht in einer Entwicklung hin zu einer steigenden Differenzierung zu sehen sind. 1991 belegt eine Studie60, dass Fertigkeiten der phonologischen Bewusstheit bei LRS-Kindern der zweiten Klasse bereits so weit entwickelt sind, dass deren Training keine positiven Wirkungen auf den Lernprozess hat. "Phonologische Bewusstheit" und "Benennungsgeschwindigkeit", die früher noch zur ersteren zählt, stehen - bis heute - als zwei von einander unabhängig zu sehende Erklärungsmodelle für die Entwicklung von LRS nebeneinander. - Andere Studien wiederum können phonologische Verarbeitungsprobleme nicht erkennen.61

Beeinflussung der Intelligenzentwicklung? Wenn diese Probleme Betroffener die Worterkennung und damit das Leseverständnis, den Wortschatz und sogar die Intelligenz beeinflussen, so bezeichnet der kanadische Leseforscher Keith E. Stanovich (Bild) von der Universität Toronto dies 1986 als Matthäuseffekt. Ein Blick in die Bibel lohnt. Im Gleichnis von dem verlorenen Talent steht: "Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat", Matthäus-Evangelium, Matthäus 25, 14 - 30. Auf Lesen und Schreiben übertagen heißt das, die guten Leser werden immer besser und die schlechten immer schlechter. Besonders der zweite Halbsatz erscheint bedeutsam und macht betroffen. Denn denjenigen, denen die Möglichkeit eines problemlosen Umgangs mit Sprache verschlossen bleibt, wird die Entfaltung und Entwicklung ihrer sonstigen - vorhandenen - intellektuellen Fähigkeiten und damit ihrer Bildungs-, Berufs- und Lebenschancen genommen.

In Deutschland entsteht ein Boom. Im deutschsprachigen Raum sind die nächsten drei Jahrzehnte nach 1950 gekennzeichnet durch unzählige Versuche, die Ursachen für LRS zu finden, den Begriff "Legasthenie" immer neu zu definieren, zu differenzieren, abzugrenzen und Verfahren, Tests und Prozentränge zur Ermittlung von Lese-, Rechtschreib- und Intelligenzleistungen zu erarbeiten, verbunden mit einer schier unübersichtlichen Anzahl von neuen Lernprogrammen, Methoden und Übungsvorschlägen, z.B. "Hundert Hilfen für lese- rechtschreibschwache Kinder"62. "Legasthenie" ist in aller Munde. Je nach wissenschaftlichem Standort der Verfasser entstehen zum Teil äußerst unterschiedliche, sich teilweise wiedersprechende Ergebnisse, bis dass die "wissenschaftliche Gerüchteküche" brodelt, nachzulesen andeutungsweise im Fernstudienlehrgang "Legasthenie" von 1974, Studienbegleitbrief 1, ab S. 115. Man "findet" sehr viele "mögliche Ursachen": dazu zählen u.a. Reversionen, Umstellungen, die Raumlagelabilität, Linkshändigkeit, Lateralitätsprobleme, sog. Figur-Grund-Störungen und Funktionsschwächen im Optischen, Visuellen und dergleichen mehr. Doch das Problem findet keine Lösung, denn der wissenschaftliche Nachweis gelingt nicht. - Die Fülle an möglich erscheinenden Ursachen wird schließlich mit Begriffen wie "multifaktoriell" oder "polyätiologisch" aufgefangen, die damit dennoch kausale Bestandteile enthalten63. Beispielsweise schlägt H. Grissemann, ein engagierter Schweizer Schulpsychologe, 1972 eine "polyätiologische" Erklärung vor, wobei er organische Gründe als Verursachungsmomente für LRS ausklammert. Die Wiener Psychologin und Pädagogin Charlotte Schenk-Danzinger (Bild) schließt als österreichische Vorkämpferin und "die" Vertreterin des klassischen Legastheniekonzepts bemerkenswerter Weise intellektuell weniger lernfähige Kinder nicht von vorn herein aus. Sie orientiert sich ebenfalls an "genetisch ungünstigen" Rechts-links-Faktoren, Reversionen, Inversionen, Raumlagelabilität, abweichender Hemisphärenspezialisierung und vor allem an der MCD als möglichen Ursachen für LRS. Als das auf Grundlage einer ,frühkindlichen Hirnschädigung' vorgeschlagene medizinische Modell der ,Minimalen Zerebralen Dysfunktion' nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, wird das Konzept der Teilleistungsstörung eingeführt.64 Inzwischen ist auch dieser Begriff vielerorts wieder abgelöst worden. Man spricht nun immer öfter von UES, "umschriebener Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten". Ein kurzer Rückblick auf Teilleistungsschwächen lohnt dennoch, da sich dieser Ausdruck - speziell im Zusammenhang mit LRS - noch immer großer Beliebtheit erfreut.

Teilleistungsschwächen. Aufbauend auf dem Begriff der "Teilleistung", der in seinem Ursprung auf Luria65 (Bild) zurückgeht, führt Johannes Graichen 1973 das Modell der "Teilleistungsstörung" bzw. "-schwäche" ein. Teilleistungsschwächen sind demnach Leistungsminderungen einzelner Faktoren oder Glieder innerhalb eines größeren funktionellen Systems.66 Konkreter versteht man unter Teilleistungsschwächen meistens Wahrnehmungsstörungen beim Sehen oder Hören, Störungen der Motorik oder sensorische Integrationsstörungen.67 Diese Modellvorstellung, die im Zusammenhang mit LRS selbst von Neuropsychologen stark kritisiert wird,68 beinhaltet immer unspezifische "Defizite", Basisstörungen beim Schüler, die durch Vererbung oder frühkindlich erworben sein sollen. Ebenso wie das Wort "Legasthenie" kann sich auch der Begriff "Teilleistungsstörung" als Ersatz für "Legasthenie" mit vermeintlichem Erklärungscharakter unter Beibehaltung traditioneller Sichtweisen bis in die heutige Zeit hinein gut halten.

Wie die wissenschaftliche Forschung in älteren und zahlreichen neueren empirischen Studien nachweist, ist die Schnittmenge der Schüler mit LRS und gleichzeitig Teilleistungsstörungen jedoch äußerst gering.69 Das bedeutet, es gibt viele Kinder mit LRS, die keinerlei Teilleistungsschwächen aufweisen. Andererseits gibt es zahlreiche Kinder mit Teilleistungsschwächen, die wiederum keine Lese-Rechtschreibschwierigkeiten haben. - Zudem sei auch die Effektivität einer Förderung bei LRS wissenschaftlich nur erwiesen für Ansätze, die direkt an den spezifischen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben ansetzen. Dennoch würden auch heute vielerorts noch immer "Funktionstrainings" sogenannter "Low-Level-Funktionen", als "basale Grundförderung" zur "Behandlung der Legasthenie" empfohlen und durchgeführt. Hierzu zählen Übungen der visuell-räumlichen Wahrnehmung, der Blicksteuerung, der Ordnungsschwellen oder Hör- oder Lateralitätstrainings zur nachträglichen Neuprogrammierung "neurologischer Defizite", damit in einer "Basistherapie" erst einmal "das Fundament für Lernen überhaupt" geschaffen werde. Hierzu bemerkt Frau Dr. Renate Valtin, Professorin für Grundschulpädagogik (Bild): "Die Annahme, dass Funktions- oder Teilleistungsschwächen wesentlich zur Legasthenie beitragen, ist jedoch empirisch widerlegt. Unter den Legasthenikern gibt es nur einen ganz geringen Prozentsatz von Kindern, die überhaupt derartige Defizite aufweisen."70

Legasthenieforschung am Ende? Nach dem "Legasthenieboom" in den fünfziger und sechziger Jahren gerät das "klassische Legastheniekonzept" ab den 70er Jahren immer stärker unter Druck. Namhafte Wissenschaftler üben zunehmend Kritik, grundlegende Kritik. Prof. Michael Angermeier richtet sie zum Beispiel gegen die Methoden der Intelligenzfeststellung. Auch Jörg Schlee weist auf messtechnische Probleme dabei hin und betont, dass keine legasthenietypischen Fehler gefunden worden seien. Er schlägt deshalb vor, das Augenmerk mehr auf die Analyse der beeinträchtigten Lernprozesse beim Schriftspracherwerb71 zu legen. Karl Sirch kritisiert Praxis und Didaktik des Unterrichts im Lesen und Schreiben und sieht darin eine Hauptursache für LRS, "Legasthenie" sei eine Erfindung. Weinert bezeichnet sogar die Forschung selbst als "defizitär". Die für "klassische Legastheniker" vorgeschlagenen Förderkonzepte in Form von Funktionstrainings würden in der Praxis kaum bedeutsame Erfolge erzielen. Beispielsweise sei die Förderung formaler Funktionen wie der "visuellen Wahrnehmung" oder des "Gedächtnisses" gegen "Legasthenie" äußerst wenig ertragreich.72 Die Annahme des kausalen Funktionsmodells wird vollständig in Frage gestellt. Auch Wilfried Belschner73 verneint "Legasthenie", er weist aber auf die Fakten hin: Es gebe ohne Zweifel weiterhin eine erhebliche Zahl Personen, die "hinsichtlich der komplexen Fertigkeiten Lesen bzw. Rechtschreiben extrem schlechte Leistungen aufweisen." Es kommt zu rigiden Forderungen nach einer völligen Neuorientierung der Forschung hin auf den Prozess zum Schriftspracherwerb, zur Untersuchung von Störungsmöglichkeiten und Berücksichtigung linguistischer Zusammenhänge.74

Die harte und umfassende Kritik am "klassischen Legastheniekonzept" schlägt sich nieder in den Formulierungen des KMK-Erlasses von 1978. - Der Begriff der "Legasthenie" entfällt, der den Ausdruck der "Krankheit" enthält. - Die Kultusminister beschließen nun Grundsätze zur Förderung von Schülern mit "besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens". Die dort benutzten Formulierungen stellen - unter anderem - den pädagogischen Charakter des Problems besonders heraus, weg von der pädagogisch und lernpsychologisch wenig nützlichen "Pathologisierung" des "Legasthenikers" mit seinen zahlreichen "möglichen Funktionsdefiziten". Selbstverständlich sind die Probleme der Kinder mit LRS damit nicht abgeschafft.

Aber die Sichtweisen ändern sich. Nach dem Scheitern der "Legasthenie"-Forschung richtet die Pädagogik ihr Augenmerk nun stärker auf den Schriftspracherwerbsprozess und seine Störungen. Untersuchungsgegenstand ist jetzt mehr sein Verlauf von den ersten Anfängen der Kinder im Umgang mit der Schrift bis hin zur kompetenten Nutzung erworbener Fertigkeiten. Im Rahmen des "Developmental Spelling" entstehen etwa ab den Achtziger Jahren sowohl im englischen als auch im deutschen Sprachraum neue entwicklungspsychologische Modelle zum Schriftspracherwerb. Gestützt auf Ergebnisse der kognitiven Psychologie beschreiben die vorgeschlagenen Konzepte typische Entwicklungen und Lernprozesse um Lesen und Schreiben - etwa in Anlehnung an Piaget oder Betts - meist im Rahmen einer Abfolge von zeitlichen Stufen oder Phasen mit charakteristischen Aufgaben und Strategien. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte, die sich auf den Leselernprozess, die Entwicklung des Lesens und Schreibens, die Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien oder die Analyse der Rechtschreibschwäche richten.75 Betrachtet man z.B. das durch Günther erweiterte Modell von Uta Frith (Bild), so ist der Übergang von der logographemischen zur alphabetischen Phase besonders kritisch, da die Kinder hier mit Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln konfrontiert werden, die für den Schriftspracherwerb von besonderer Bedeutung sind. Ein zweiter kritischer Bereich ist der Eintritt in die "integrativ-automatisierte Phase" als Abschluss der "orthographischen" Stufe. Aus pädagogischer Sicht sind die Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen nun als Störungen in diesem komplexen Lernprozess anzusehen und nicht mehr als Krankheitssymptome. - Der Schweizer Jürgen Reichen wagt 1972 (zuerst in der Klasse seiner Tochter) das Modell "Lesen durch Schreiben" mit Anlauttabelle und sieht einen komplexen Prozess, in dem Lesen und Schreiben eng miteinander verzahnt sind.76 Bemerkenswerter Weise verzichtet Hans Brügelmann (Bild) 1983 / 1984 in seiner "didaktischen Landkarte" mit acht Lernfeldern zumindest noch auf eine zeitliche Stufung.77 1986/1989 stellt Heide Buschmann auf einem Kongress ihre - unveröffentlichte - kompensatorische "Dynamisch-integrative Lese-Rechtschreibförderung" mit "rhythmisch-melodischen" Elementen vor; danach folgen zahlreiche weitere Förderkonzepte bzw. Programme78, von denen sich ein beachtlicher Teil direkt oder indirekt auf einige dort wieder erinnerte und vorgeschlagene Elemente stützt, z.B. auf das Mitsprechen beim Schreiben.

Neue Vermutungen in der Gehirnforschung. Ebenfalls ab den 80er Jahren und besonders in den 90ern - in den USA Jahrzehnt der Gehirnforschung genannt, Präsident Bush Sen. 1990: "Decade of the Brain" - gibt es nach Verbesserung älterer und Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden, vor allem neuer bildgebender Verfahren79, verstärkt Untersuchungen auf neuroanatomischer und neuroradiologisch funktioneller Basis. Funktionell bedeutet, dass die Untersuchungen des Gehirns während gedanklicher Aktivitäten wie Lesen, Schreiben, Betrachten und Sprechen erfolgen. Im Jahr 1978 untersuchen D.B. Hier und Kollegen 24 leseschwache Personen. Sie sehen mögliche Zusammenhänge zwischen bestimmten Hirnbereichen80 und verbalen Leistungen.81

Vor dem Hintergrund verbesserter Untersuchungsmethoden berichten Alberto Galaburda (Bild) und Kollegen82 1979/1985 über bisher unbekannte Details im Gehirnaufbau. Sie beschreiben einige als Auffälligkeiten bezeichnete Sachverhalte, die sie bei vier (4) verunfallten Männern mit entwicklungsbedingter "Dyslexia" im Alter von 14 bis zu 32 Jahren festgestellt haben. Demnach lassen sich bis zu 100 "entwicklungsbedingte Abweichungen" vor allem im Bereich des "Planum temporale" und um die "Sylvische Furche" (Silvian fissure, Bild) herum finden, meist auf der linken Seite. Hierzu gehören u.a. verkleinerte Falten und Windungen, eine weniger übliche Symmetrie des "Planum temporale", sowie sog. "Dysplasien" und "Ektopien". "Dysplasien" sind leicht unübliche Neuronenansammlungen, während man sich unter "Ektopien" einzelne Nervenzellen vorstellen kann, die ihren Bestimmungsort während der Entwicklung nicht erreicht haben, an der Oberfläche verdreht oder in tiefer liegenden Bereichen unorganisiert sind. Galaburda, der im übrigen eine Zeit lang am selben Krankenhaus wie Orton (Boston City Hospital) arbeitet, ergänzt seine Vorstellungen 1989 mit einigen (ca. 3) weiteren Einzeluntersuchungen. Er findet 1993 mit seinem Kollegen Livingstone morphologische Varianten in visuellen und auditiven Gebieten der magnozellulären Schicht.83 Diese Feststellungen stoßen seinerzeit auf reges Interesse und finden oft als Annahmen für mögliche Ursachen - z.T. bis in die jüngste Zeit hinein84 - Eingang in Legasthenieratgeber und ähnliche Schriften.

Was hat sich geändert? Heute ist das Echo geteilt. Neuropsychologische Befunde zur Erklärung von LRS werden immer öfter neutral bewertet, wenn offen bleibt, ob es sich bei den als typisch für LRS vermuteten "Besonderheiten in der funktionellen Organisation auditiv-verbaler Hirnstrukturen um primäre oder sekundäre Phänomene handelt, ... abweichende Aktivierungsmuster könnten Folge statt Ursache des gestörten Schriftspracherwerbs sein"85 oder völlig "normal".

Weniger bekannt ist, dass Galaburda Leseschwierigkeiten, "Dyslexia", als etwas Normales ansieht:

"Dyslexia ist eine normale Schwankung (variation) des mensch-
lichen Gehirns. Während des fötalen Wachstums gibt es eine
bessere (superior) Entwicklung der rechten Hemisphäre."

Von Abweichungen zu Unterschieden. Obwohl zunächst noch weitere "Abweichungen" gefunden werden,86 können spätere Studien ab den 90er Jahren die Sichtweise, unübliche Symmetrien des "Planum temporale" seien begünstigende Faktoren für LRS, nicht mehr stützen.87 Sie belegen vielmehr, dass das Gehirn individuell sehr unterschiedliche Strukturen aufweisen kann. Sowohl globale Größenverhältnisse als auch Details unterliegen enormen Variationsbreiten. Ähnlich wie bei Muskeln scheint es auch im Gehirn gewaltige Unterschiede zu geben, je nach Entwicklung, Beanspruchung und Training. Die Arbeitsweisen von Gehirnen bei Bewältigung gleicher Aufgaben und die Lage beider Gehirnhälften88 zueinander sind ebenfalls sehr oft unterschiedlich. - Mit Blick auf LRS erscheint an dieser Stelle nicht uninteressant, dass Musiker mit dem absoluten Gehör, die Töne direkt, ohne akustischen Vergleich identifizieren und benennen können, ein volumenmäßig - bis zu dreifach - vergrößertes, pralles "Planum temporale" aufweisen können. Beim Zuordnungs- und Benennungsvorgang aktivieren sie gerade diese Stelle des Gehirns auf der linken Seite, wo hingegen andere Musiker hierbei - vergleichend - die rechte Gehirnhälfte benutzen. Und es gibt sehr viele unmusikalische Menschen. Wer käme da auch nur im entferntesten auf die verrückte, ja völlig blödsinnige Schnapsidee, sie deswegen als "entwicklungsgestört" oder "krank" zu labeln, um dann von "UEM - Umschriebener Entwicklungsstörung musischer Fähigkeiten" zu reden?

Widersprüche. Bezüglich der "Magnozellulären Theorie", im übrigen nur eine von weit über dreißig medizinischen Annahmen, ist der wissenschaftliche Beweis dafür, dass die festgestellten Strukturvarianten89 und Leistungen des Kleinhirns in direkter ursächlicher Beziehung zu LRS stehen, bis heute nicht erbracht. Im Gegenteil, zahlreiche neue Studien, u.a. von Margaret Snowling (Bild links) belegen, dass bei LRS bzw. Dyslexia die Hörverarbeitung90 oder sogar beide Bereiche, Hör- und Sehverarbeitung,91 zu etwa zwei Dritteln überhaupt nicht beeinträchtigt sind. In den LRS-Gruppen zeigen sich zwar manchmal - z.B. in den Studien von John Stein (Bild), J. Talcott von der Uni Oxford bei visuellen Aufgaben und von Paula Tallal92 (Bild rechts) von der Rutgers Universität New Jersey bei auditiven Aufgaben - signifikante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe. Aber vertiefende Studien zeigen weiter, dass diese Unterschiede meist nur durch eine Minderheit - üblicherweise ein Drittel - der von LRS betroffenen Kinder bewirkt werden. Bereits 1976 weisen Rutter93 und Kollegen z.B. Entwicklungsstörungen ebenfalls nur bei etwa einem Drittel der LRS Kinder nach. Auch andere Studien entdecken nur wenige unter den LRS Betroffenen, die etwa sensorische Defekte aufweisen.94 Ein Grund für die divergierenden Ergebnisse wird darin gesehen, dass in den Studien zwar der Versuchsaufbau - ANOVA = analysis of variance - ziemlich gesichert ist, letztlich aber alle LRS Kinder "in denselben Topf" kommen (Gruppenvergleiche). Den Zusammensetzungen der Gruppen wird noch immer nur sehr wenig Beachtung geschenkt. Es bleibt oft ungeklärt, ob bei den Teilnehmern Begleiterscheinungen wie Wahrnehmungsprobleme, Sprachschwierigkeiten, ADS etc. als Begleitmorbidität von LRS bereits vorhanden sind oder nicht.95

Neue Argumente? Auch heute werden noch immer Schwierigkeiten vor, während oder nach der Geburt, "prä-, peri- und postnatale" Probleme als Verursachungsmomente für LRS ins Feld geführt. Wie bereits 1984 und 1993 in verschiedenen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wird, sind die genannten Umstände - als Risikofaktoren für LRS - von untergeordneter Bedeutung.96

So vermuten z.B. einige Wissenschaftler auf Grund funktioneller PET-Studien97zunächst, dass es ein visuelles Wortbildungszentrum geben könne, während andere98 dies später wiederum nicht mehr bestätigen können. Nach weiterer Verbesserung der Untersuchungsverfahren und Verfeinerung der hierbei angewendeten Schnitttechniken zur Erforschung phonologischer und orthographischer Sprachverarbeitungsaktivitäten stellt man zunehmend fest, dass während des Lesens sehr viele unterschiedliche Gehirnregionen (vgl. z.B. Shaywitz) aktiviert sind.

Die Beispiele zeigen, neurobiologische Erkenntnisse - zudem meistens aus der Beobachtung von Erwachsenen (Ausnahme: Georgiewa, 1999) - zur Erklärung von LRS sind noch sehr uneinheitlich und widersprüchlich. Sichere Rückschlüsse auf die Ursache der LRS und damit auf entsprechende Interventionsansätze können daraus nicht abgeleitet werden. Offen bleibt auch weiterhin die Frage, ob es sich bei den erwähnten, für LRS zuweilen als typisch bezeichneten Varianten in bezug auf Struktur und Aktivierungsmuster tatsächlich - wie oft behauptet wird - um Ursachen oder nicht vielmehr um Folgen eines problematischen Schriftspracherwerbs oder völlig normale Unterschiede handelt. Trotz der rasanten Fortschritte in den Technologien und Verfahren zur Erforschung all dessen, was in unserem Kopf passiert, sehen wir von der Komplexität des Gehirns bisher nur einen winzig kleinen Bruchteil - wie durch ein Schlüsselloch. Die basale Physiologie der LRS ist noch weitgehend unbekannt, wenn es denn überhaupt ursächliche Besonderheiten gibt. (Wer anderes behauptet, muss aufpassen, dass er dabei nicht aus seinem Elfenbeinturmfenster fällt.)

In den Wissenschaften ist man sich heute nur einig darüber, dass eine einheitliche, empirisch überprüfte Theorie für LRS - nach wie vor - nicht existiert. Und in weiser Vorahnung erklärt der Psychologieprofessor Andrew Ellis (Bild) von der Universität York, England, bereits 1985:

"Als was auch immer sich "Dyslexia" herausstellen wird,
es ist keine Lese-Krankheit (reading disorder)".


Bis in die jüngste Zeit hinein gibt es unzählige Menschen mit Schwierigkeiten im Lesen oder Schreiben. Dazu gehören so berühmte wie Walt Disney, Agatha Christi, John Lennon, Cher, Tom Cruise und Magic Johnson (s. Bild). Und im Jahr 2002 wird aus dem schwedischen Könighaus erstmalig öffentlich: Kronprinzessin Victoria hat sie auch, ebenso wie ihre Geschwister Carl Philip und Madeleine sowie ihr Vater Carl Gustaf. Und wie war das noch bei König Karl XI. von Schweden (1655 -1697)? Heute ist Victoria (Bild) jedenfalls froh und dankbar für ihre Förderung.

Von Kleopatra bis Cher (s. Bild rechts), König Karl XI bis Victoria, von John F. Kennedy bis Magic Johnson, wir benötigen die Vielfalt des Denkens und individuelle Unterschiede, auch zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.

(Wenn Ihr Tee jetzt kalt ist, würde es mich freuen, lieber kalten Tee als kalten Kaffee...)
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"Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen erschien"
Albert Einstein



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Anmerkungen

1 hier auch im Sinne von „Legasthenie“

2 „genestho(i)“ – so soll es geschehen

3 Leonardo da Vinci (1452 -1519)

4 Galileo Galilei (1564 –1642)

5 Christian Andersen (1805 – 1875)

6 König Karl XI von Schweden (1655 –1697)

7 Stirnlappen = Frontallappen

8 Aphasie = Sprachstörung

9 syntaktische Prozesse im Sinne einer „komplexen regelbasierten Information“

10 vgl. Maess, B. et al., 2001; Levitin, D., Menon, V.:, 2003; McMullen, E., Saffran, J.R., 2004

11 Läsion = Veränderungen durch Verletzung oder Krankheit

12 Schläfenlappen = Temporallappen

13 des linken „Gyrus angularis“ (als „Lesezentrum“ und des „rechten visuellen Cortex“)

14 Gerade der „Gyrus angularis“ (= Windung am hinteren Schläfenlappen) ist auch später Objekt vielfältiger konträrer Mutmaßungen, beispielsweise seien auch Stoffwechselerkrankungen verantwortlich für Leseprobleme.

15 etwa von Goltz, John Hughlings Jackson oder Frederic Bateman

16 vgl. Benett A. Shaywitz, Sally E. Shaywitz u.a., 1998; Fiez, Petersen, 1998; Demp, Poldrack, Gabrieli, 1999

17 1872, 1887

18 Rudolf F. Wagner, 1973

19 Alexie = erworbene Unfähigkeit, geschriebene Sprache zu verstehen

20 „congenital word-blindness“; alexia, dyslexia

21 strukturell = gerichtet auf Anordnung, Größe, Aufbau, Zusammensetzung, Beschaffenheit

22 Ranschburg, 1916, 1928

23 vgl. Fodor 1983, erste Modularitätshypothese

24 vgl. hierzu u.a. auch: Dummer-Smoch, 1994

25 im Original „bright“

26 Hemisphäre = Gehirnhälfte

27 „Corpus Callosum“

28 auch: mangelnde Hemisphärendominanz oder abweichende Hemisphärenspezialisierung.

29 „dominance failure“

30 aufgabenbezogenen

31 z.B. nimmt er den Ausdruck „Strephosymbolia“ später wieder zurück

32 vgl. Schultz et al., 1994, Rumsey et al. 1995

33 Funktionelle Kernspintomographie (fMRI) - GU Medical Center, 2003

34 Klassische „bottom up“ Methode, VAKT – visuell, auditiv, kinästhetisch, taktil

35 Ickelsamer 1534; Friedrich Gedike, 1779, 1791; Joseph Jacotot, 1818; Alfred Graffunder, 1843; Augustin Grosselin 1866; Carl Malisch, 1885; Berthold Otto, 1905; Artur u. Erwin Kern, ab 1930

36 vgl. R. Gümbel, 1980, 1991; G. Bethlehem, 1984; G. E. Heuß, 1997

37 Emmett A. Betts, 1946, 1957; Albert J. Harris, 1970

38 vgl. u.a.: H. Brügelmann, 1984; J. Gentry, 1982; U. Frith, 1985; C. Röber-Siekmeyer, 1997

39 vgl.: Castro-Caldas et. al., 1998, T.L. Richards, E.H. Aylward, 2005

40 oder „Neurit“

41 Heppsche Regel: „If an Axon ...“

42 Es gibt ca. 7 Haupt-Neurotransmitter, z.B. Dopamin, Serotonin

43 vgl. hierzu u.a.: Schmidt, R. F., 2000; Spitzer, M., 1996, 2000, 2003; Scheunpflug, Anette, 2001

44 wie Thomas 1905, Fisher 1905, Stephenson 1907, Plate 1910, sowie später Illing 1929, Laubenthal 1936, Ferguson, Norrie 1939, Skydsgard 1942, Ramer 1947

45 vgl. Denckla, 1973; Vogler, 1985; Pennington, 1990, 1991; Wolf, 1994; Schulte-Körne,1996

46 „autosomal dominant“, auch Weinschenk betrachtet die LRS 1965 als erblich

47 vgl. u.a. K. Hermann, 1959; J. Stevenson et alt., 1987; R. Olson et alt., 1994; J. DeFries et alt., 1991, 1997; B.F. Pennington et al., 2001

48 vgl. Smith et al., 1983; Bisgaard et al., 1987; Rabin et al., 1993; Cardon et al., 1994; Grigorenko, 1997; Schulte-Körne et al., 1998, 2001; Fagerheim et al., 1999

49 vgl. Gasteiger (Bild)/Klicpera, 1993; Hasselhorn, Schneider, Marx, 2000

50 auch in England heute: „dyslexia“

51 „specific developmental dyslexia“

52 Bereich des linken unteren Scheitellappens (Parietallappen) und des linken „Gyrus angularis“

53 vgl. Bradley, Bryant, 1983,1985; auch in Deutschlang: z.B. Küspert, Petra, 1998 „Phonologische Bewusstheit als notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Schriftspracherwerb“

54 vgl. M. Denckla, 1972; M. Denckla, G.R. Rudel, 1976

55 vgl. M. Wolf, 1979, 1984, 1986,

56 vgl. hierzu auch: Jansen, H., Mannhaupt, G., Marx, H., Skowronek, H.: Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten (BISC). Göttingen, 1999, 2002; ; Küspert, P. et al.: Hören, lauschen, lernen ... . Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung ... . Göttingen, 2003

57 vgl. Heinz Wimmer, 1993; H. Wimmer et al., 1998, dazu auch Cornwall, 1992; Korhonen 1995; Meyer et al., 1998; Wolf and Bowers, 1999, 2000; Grigorenko, 2001

58 vgl. Veith, 1992

59 vgl. Susan E. Gathercole, Alan D. Baddeley, 1993

60 vgl. Wimmer H., Hartl M., 1991 vgl. auch Schulte Körne, 2001

61 vgl. Frank R. Vellutino, D.M. Scanlon, 1987

62 z.B. Schomburg, E., Schmidt, L., 1960

63 vgl.: Lüpke, H.v., Voß, R., 2000

64 vgl.: Esser, G., Schmidt. M., 1987

65 manchmal Lurija, vgl. Luria, A.R., 1970

66 vgl.: Graichen, J.: Teilleistungsschwächen, 1973

67 vgl.: Ayres, J.: Bausteine.. ,1979, „vergleicht LRS mit Verdauungsstörungen“

68 vgl.: Jetter, 1991, 1994; B. Dietl, 1987, 1995

69 vgl.: R. Valtin, 1974, 1981; Chr. Klicpera, B. Gasteiger-Klicpera, 1993

70 vgl.: Valtin, 2003; vgl. zu der Effektivität von Behandlungsmethoden auch Dumont, 1990; Grissemann, 1993; Scheerer-Neumann, 1993; Klicpera, Gasteiger-Klicpera, 1995; Walter, 1996; Christine Mann, 2001

71 Der Begriff Schriftspracherwerb wurde erstmals erwähnt von: Weigl, E., 1976

72 vgl. Scheerer-Neumann, G:, 1979, Gasteiger-Klicpera, B., Klicpera, Chr., 1989

73 Belschner, Wilfried, 1977

74 vgl. u.a. Michael Angermeier, 1976, Jörg Schlee, 1974, 1976; Karl Sirch, 1975; Wilfried Belschner, 1976; Wilhelm Topsch, 1976; Weinert 1977

75 vgl. u.a.: J. R. Gentry, 1978, 1982; Mason, J.M., McCormik, C., 1979; Downing, J. 1979; M. Bergk,1980; G. Marsh et al., 1981; U. Frith, 1985 ; K.B. Günther, 1986, 1989; G. Scheerer - Neumann, 1987, 1989, 1990; G. Spitta, 1994; L.C. Ehri, 1987, 1989, 1992, 1995; H. Grissemann, 1996 (und alles, was Rang und Namen hat)

76 J. Reichen, 1982; Graves, 1986 „Selbststeuerung“; C. Röber-Siekmeyer, 1993, “Lauttreue“

77 vgl.: H. Brügelmann, 1984, „Spracherfahrungsansatz“

78 vgl.: N. Sommer-Stumpenhorst, 1991; C. Reuter-Lier, 1992, 2001; L. Dummer-Smoch, R. Hackethal, 1994,1996; C. Mann, 1996; H. Grissemann, 1998; G. Tacke, 1999; G. Schulte-Körne, F. Mathwig, 2001

79 rCBF, PET, MRI, fMRI

80 „parieto-occipitaler“ Bereich

81 vgl.: D.B. Hier et al., 1978

82 vgl.: Galaburda, A.M. et. al., 1979; Galaburda, A.M. et. al., 1985

83 vgl. „Magnocelluläre Theorie“

84 vgl. z.B. Schulte-Körne, G. et al., 2004

85 vgl. von Suchodoletz, Waldemar, 1999, 2003

86 vgl.: Pennington, 1999; Eliez, 2000

87 LRS im Sinne von “dyslexia”, vgl.: Shultz et al., 1994; Rumsey, 1997; Coles, 1998; Eckert, 2000

88 Eine Hälfte reicht meistens etwas weiter nach hinten.

89 Ektopien im lateralen Nucleus geniculatus

90 vgl.: Heath, Hogben, Clark, 1999; Hill, Baily, Griffiths, Snowling, 1999

91 vgl.: Rosen, 2003

92 P. Tallal: „zeitliches Verarbeitungsdefizit ursächlich“, „Fast ForWord“

93 Rutter, M. et al: Isle-of-Wight studies, 1964-1974. Psychological Medicine, 6 (2), 313-332, 1976

94 vgl.: Griffiths, Snowling, 2001; Heath, 1999; Van Ingelghem, 2001; Amitay, Hebrew University, Jerusalem

95 vgl. S. Heath et al., 1999

96 vgl.: Stewart, A., 1984; Esser, Schmidt, 1993

97 vgl.: Petersen et al., 1988, 1989, 1990

98 vgl.: Price et al, 1994

 

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